Vorsicht: Politik! Wer nichts damit anfangen kann, möge weiterzappen.
Ich tue heute mal was Ungewöhnliches, zumindest für dieses Blog: Ich gebe meine Meinung ab. Das ist im Internet immer etwas ungünstig, denn hier trifft sich nun mal die Gesellschaft (oder zumindest die, die online ist), und wie das schöne Sprichwort schon sagt: So viele Köpfe, so viele Meinungen. (Will sagen: Man macht sich Feinde.)
Trotzdem: Da guckt man sich das Fernsehduell (natürlich im Internet) an und fragt sich nachher: Was hats mir jetzt eigentlich gebracht? Nun gut, im Gegensatz zu vielen Kommentatoren (und einigen der Fragestellern) war ich nicht der Meinung, dass Frau Merkel und Herr Steinmeier einen Schmusekurs fahren würden. In der Tat liegen nun mal die Auffassungen der beiden bei manchen Themen nahe beieinander. Aber in anderen eben nicht.
Schade nur, dass die ganze Zeit auf den Managern rum gehackt wurde: Nicht jeder Manager ist ein raffgieriger Aasgeier, genau so wenig wie jeder HarzVI-Empfänger ein fauler Sozialschmarozer ist. Zudem handelt es sich dabei um eines der Themen, bei denen man sich wohl einigermaßen einig ist, also langweilig. Auch der Afghanistan-Einsatz ist unstrittig unter den beiden Kandidaten, wenn man mal von Details absieht, insofern: Auch hier nichts Neues. (Dass man sich in einem Kampfeinsatz - manche nennen das auch Krieg - die Finger nicht würde rein halten können, war eine Illusion, die mir von Anfang an nicht ganz eingeleuchtet hat.)
Insofern hat mir das ganze nicht viel gebracht, was aber nur bedingt den Kandidaten geschuldet ist. Wenn die Moderation nicht nach den Themen fragt, bei denen die Meinungen auseinander gehen, was soll man dann schon anderes erwarten als Einklang? Denn beim Thema Mindestlohn, Steuern, Gesundheit und Atompolitik war durchaus zu merken, dass es doch Reibungspunkte gibt. Hier hätte ich mir mehr und präzisere Fragen gewünscht, um die beiden aus der Reserve zu locken. Wohin mit dem Atommüll, wohin mit der strahlenden Salzlauge? Wie finanziert die künftige Regierung ein defektes Gesundheitssystem, was tun gegen die Ungleichbehandlung von Privat- und Kassenpatienten, gegen Schmiergelder von Krankenhäusern?
Aber geradezu geärgert hat mich, dass manche Themen gar nicht erst zur Sprache kamen: Wieso wurde mit keinem Wort der drohende Überwachungsstaat angesprochen (Stichworte Biometrie, Vorratsdatenspeicherung, Datenschutz, Internetsperre), an dem beide nicht unschuldig sind? Warum kein Wort zur Globalisierung, ein Thema, das vielen Menschen - zum Großteil zwar zu unrecht - Angst macht? Warum kein Wort zur Schulpolitik - ja, eigentlich ein Länder-Thema, aber eine Meinung werden die beiden doch wohl sicher dazu haben -, zu Forschung und Wissenschaft? Warum kein Wort zu Menschenrechten von Iran bis China (und vor der eigenen Haustür) und dem Umgang mit der so genannten dritten Welt? Wie steht es um die Privatisierung von Staatseigentum (Stichwort Bahn)? Gentechnik ja oder nein? Volle Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften? Bundeswehr im Inneren? Was tun für die Menschen, die von der schönen neuen Medienwelt ausgeschlossen bleiben, weil es den Großkonzernen zu teuer ist, Kabel zu legen? Sind wir so mit unserer Wirtschaftskrise beschäftigt, dass wir blind geworden sind für viel grundsätzlichere Themen? Warum werden nur Fragen gestellt, zu denen wir die Antwort der Kandidaten schon kennen? Wenn hier einem ein Schmusekurs vorzuwerfen ist, dann den vier Journalisten, die die Fragen gestellt haben.
Alles in allem hat mir diese Diskussionsrunde also wenig gebracht. Wie gesagt, nur bedingt die Schuld der Kandidaten. Wahlkampf stelle ich mir anders vor.