Agfa Synchro Box
Im Frühjahr hat Cs Frau D den Keller bei den Großeltern ausgeräumt, wobei zwei uralte Kameras aufgetaucht sind, unter Anderem eine Agfa Synchro Box, Baujahr irgendwann zwischen 1949 und '52. So behauptet zumindest das Internet. Und die hat sie mir am Wochenende mitgebracht, weil ich ja alles zum Fotografieren verwende, was eine Linse hat und nicht bei drei auf den Bäumen ist!
Nur, ob man das eigentlich als Kamera bezeichnen kann, weiß ich nicht so wirklich! Ich mein, schaut euch das gute Stück mal an:
Faszinierend, was? In der braun belederten Pappkiste - an der leider der Deckel abgerissen ist, weil die Pappe in den letzten 70 Jahren etwas steif geworden ist - findet man einen schwarzen Klotz mit vorne drei Linsen. Fragt man sich schon mal: Warum drei? Das in der Mitte ist das eigentliche Objektiv, wenn man das denn so bezeichnen mag: Es besteht aus einer einzigen Linse und schafft auf diese Art ungefähr f/11. Kein Fokus, aber bei der Blendenzahl ist eh alles scharf, was ein paar Meter vor der Linse steht. (Die Anleitung sagt "ab drei Meter", aber das ist meinen Berechnungen nach doch ein bisschen geschönt. Schließlich macht das Ding 6x9 Negative und hat eine Brennweite von ca. 105mm, wenn man das in die einschlägigen Apps eingibt und annimmt, dass man bis Unendlich scharf haben will, liegt die untere Grenze bei etwa 7½ Metern. Dann wiederum hat man damals wahrscheinlich Kontaktabzüge in der gleichen Größe der Negative gemacht und nicht an riesigen 4k-Monitoren jedes einzelne Pixel angeguckt, was diese Berechnung wieder etwas relativiert.)
Die beiden anderen Linsen gehören zu den beiden Suchern. Denn man kann sowohl "von oben" in einen Sucher hinein schauen als auch von der rechten Seite, je nachdem wie man die Kamera dreht, also entweder im Quer- oder im Hochformat fotografiert. Diese Sucher sind nur auf den ersten Blick genau so primitiv wie das eigentliche Objektiv, denn sie bestehen immerhin aus zwei Linsen und einem Metallspiegel, der das Licht entsprechend ablenkt. Wie man aber auf den nächsten beiden Bildern sehen kann, ist die Bildqualität eher so naja. Immerhin hat man überhaupt einen optischen Sucher: Viele Schnappschuss-Kameras hatten damals nur einen Rahmen, durch den man ungefähr zielen konnte. Nicht, dass das Konstrukt, das wir hier sehen, viel genauer wäre.
Was noch? Die Belichtungszeit - ja, genau, die eine einzige Belichtungszeit - beträgt je nachdem, wen man im Internet fragt, irgendwo zwischen 1/60s und 1/30s. Also sehr, sehr langsam! Die Anleitung sagt, man sollte 21° DIN (entspricht ISO/ASA 1001) Filme verwenden - 120 Rollen, übrigens, das hatte ich noch nicht explizit erwähnt, auch wenn sich das aus dem Negativformat ja eigentlich ergeben sollte -, um Fotos bei Tageslicht - zwischen 3 Stunden nach Sonnenauf- und 3 Stunden vor -untergang -, woraus sich schließen lässt, dass das ungefähr hin kommt. Ich würde, einfach vom Gehör her, auch auf maximal 1/50s tippen. Eher weniger. Die Kiste also bei dieser Brennweite lang genug still zu halten, dürfte schon etwas schwieriger sein. Vielleicht sollte ich ein Stativ verwenden, wenn ich sie teste. Was ich definitiv vor habe.
Über den kleinen Schieber an der rechten Seite (mittig) kann man dann aber immerhin noch eine Blende einschieben, dann hat die Kamera f/16. Für Szenen mit ganz viel Licht und wenn man noch ein Stückchen näher ran gehen will - der Minimalabstand ist dann laut Anleitung 2 Meter, die App sagt dann ungefähr 6. Zieht man diesen Schieber ganz raus, bekommt man sogar noch ein Gelbfilter. Das sorgt effektiv natürlich auch für ungefähr eine Blende weniger Licht. Wenn man auslöst, rotiert eine Scheibe mit Loch hinter dem Schutzglas vorbei und sorgt dafür, dass Licht in die Kamera und auf den Film fällt.
Ansonsten ist man drauf angewiesen, dass der verwendete Film genug Spielraum für Über- und Unterbelichtung bietet. Selbst der billige Foma sollte zwei Stufen nach oben und nach unten Spielraum haben. Da sollte tatsächlich für Tageslichtaufnahmen bei schönem Wetter ein ISO 100er reichen. Bei dem Wetter, das wir heute haben, wäre wahrscheinlich ein 200er oder gar 400er nicht falsch. Sowas Empfindliches gab es damals eher nicht. Die Anleitung spricht zwischendurch sogar von 18° DIN, also ISO 50. Finde ich persönlich dann schon etwas gewagt. Aber wer weiß, wie empfindlich die Filme damals tatsächlich waren.
Apropos Film: Irgendwie muss man den auch in das Teil bekommen. Dafür muss man hinten aufs Gehäuse drücken und dann die Rückklappe öffnen, nachdem man den Vorspulknopf aus dem Gehäuse heraus gezogen hat, der nämlich mit der Aufnahmespule koppelt. Danach kann man das Innenleben aus dem Gehäuse nehmen. Das ist der eigentlich spannende Teil, es steckt sogar noch eine Holzspule auf dem unteren Halter. Der letzte Film wurde also wohl so in den 1960ern damit verschossen. (Das schließe ich auch daraus, dass die andere Kamera, die ich nicht mitgenommen habe, weil der Verschluss leider defekt war, ungefähr so aus der Mitte der '60er stammte.) Später waren Spulen jedenfalls aus Plastik.
Um den Film zu laden, muss man die leere Spule oben und den neuen Film unten einsetzen. Dann einmal hintenrum um das ganze Dingsbums herum ziehen und einfädeln und manuell bis zum ---> Start <--- vordrehen. Danach setzt man alles wieder in das Gehäuse ein, schließt es wieder und dreht bis zur 1 im kleinen Fenster unten links vor. Dann hat man wahnsinnige 9 Aufnahmen. Das ist jetzt wirklich nicht viel, aber so war das damals!
Wenn demnächst noch mal gutes Wetter sein sollte, nehme ich sie wohl mal mit zu einem meiner üblichen Jagdgründe. Blankenberg oder so, das bietet sich glaube ich an. Da kann ich viele Bilder von Landschaft und Gebäuden bei gebührendem Abstand machen. Zu viel mehr eignet sich das Ding ja auch nicht. Müsste dann noch schauen, wie ich den fertigen Film entwickle, denn ich habe nur 300ml Fixierer angerührt und nur Material für weitere 300, ich will keinen alten und neuen Fixer mischen. Für einen 120er Film brauche ich aber wahrscheinlich etwas mehr, der ist ja nun doch ein ganzes Stück breiter und ragt sonst oben aus der Suppe raus. Naja, muss ich mal abmessen, wie viel ich mindestens brauche. Vielleicht gehts im Jobo-Tank besser, der ist kleiner, aber ich bezweifle, dass ich mit 300mm auskomme. Ansonsten, im Notfall, geht der halt in die Labor-Entwicklung...
Bis es so weit ist, muss ich aber noch testen, ob die Kamera tatsächlich lichtdicht ist. Die hat nämlich einige Beulen. Ist wohl viel benutzt worden. Hinten im Deckel ist eine Kordel als Dichtung eingeklebt, von der ich nicht weiß, ob sie nach all der Zeit noch flexibel genug ist. Ansonsten sehe ich zwar bisher keine größeren Probleme, aber man weiß ja nie.
Fazit: Spannende Technik. Also, eigentlich genau das Gegenteil von Technik, das Ding ist so simpel und bare metal, dass ich mich frage, ob da überhaupt Fotos raus kommen!
1 Zumindest ungefähr. Damals war das alles noch nicht so durchgeeicht und überbürokratisiert wie heute. ISO/ASA wurde auch erst irgendwann Mitte der 1960er so richtig modern.
Nur, ob man das eigentlich als Kamera bezeichnen kann, weiß ich nicht so wirklich! Ich mein, schaut euch das gute Stück mal an:
Faszinierend, was? In der braun belederten Pappkiste - an der leider der Deckel abgerissen ist, weil die Pappe in den letzten 70 Jahren etwas steif geworden ist - findet man einen schwarzen Klotz mit vorne drei Linsen. Fragt man sich schon mal: Warum drei? Das in der Mitte ist das eigentliche Objektiv, wenn man das denn so bezeichnen mag: Es besteht aus einer einzigen Linse und schafft auf diese Art ungefähr f/11. Kein Fokus, aber bei der Blendenzahl ist eh alles scharf, was ein paar Meter vor der Linse steht. (Die Anleitung sagt "ab drei Meter", aber das ist meinen Berechnungen nach doch ein bisschen geschönt. Schließlich macht das Ding 6x9 Negative und hat eine Brennweite von ca. 105mm, wenn man das in die einschlägigen Apps eingibt und annimmt, dass man bis Unendlich scharf haben will, liegt die untere Grenze bei etwa 7½ Metern. Dann wiederum hat man damals wahrscheinlich Kontaktabzüge in der gleichen Größe der Negative gemacht und nicht an riesigen 4k-Monitoren jedes einzelne Pixel angeguckt, was diese Berechnung wieder etwas relativiert.)
Die beiden anderen Linsen gehören zu den beiden Suchern. Denn man kann sowohl "von oben" in einen Sucher hinein schauen als auch von der rechten Seite, je nachdem wie man die Kamera dreht, also entweder im Quer- oder im Hochformat fotografiert. Diese Sucher sind nur auf den ersten Blick genau so primitiv wie das eigentliche Objektiv, denn sie bestehen immerhin aus zwei Linsen und einem Metallspiegel, der das Licht entsprechend ablenkt. Wie man aber auf den nächsten beiden Bildern sehen kann, ist die Bildqualität eher so naja. Immerhin hat man überhaupt einen optischen Sucher: Viele Schnappschuss-Kameras hatten damals nur einen Rahmen, durch den man ungefähr zielen konnte. Nicht, dass das Konstrukt, das wir hier sehen, viel genauer wäre.
Was noch? Die Belichtungszeit - ja, genau, die eine einzige Belichtungszeit - beträgt je nachdem, wen man im Internet fragt, irgendwo zwischen 1/60s und 1/30s. Also sehr, sehr langsam! Die Anleitung sagt, man sollte 21° DIN (entspricht ISO/ASA 1001) Filme verwenden - 120 Rollen, übrigens, das hatte ich noch nicht explizit erwähnt, auch wenn sich das aus dem Negativformat ja eigentlich ergeben sollte -, um Fotos bei Tageslicht - zwischen 3 Stunden nach Sonnenauf- und 3 Stunden vor -untergang -, woraus sich schließen lässt, dass das ungefähr hin kommt. Ich würde, einfach vom Gehör her, auch auf maximal 1/50s tippen. Eher weniger. Die Kiste also bei dieser Brennweite lang genug still zu halten, dürfte schon etwas schwieriger sein. Vielleicht sollte ich ein Stativ verwenden, wenn ich sie teste. Was ich definitiv vor habe.
Über den kleinen Schieber an der rechten Seite (mittig) kann man dann aber immerhin noch eine Blende einschieben, dann hat die Kamera f/16. Für Szenen mit ganz viel Licht und wenn man noch ein Stückchen näher ran gehen will - der Minimalabstand ist dann laut Anleitung 2 Meter, die App sagt dann ungefähr 6. Zieht man diesen Schieber ganz raus, bekommt man sogar noch ein Gelbfilter. Das sorgt effektiv natürlich auch für ungefähr eine Blende weniger Licht. Wenn man auslöst, rotiert eine Scheibe mit Loch hinter dem Schutzglas vorbei und sorgt dafür, dass Licht in die Kamera und auf den Film fällt.
Ansonsten ist man drauf angewiesen, dass der verwendete Film genug Spielraum für Über- und Unterbelichtung bietet. Selbst der billige Foma sollte zwei Stufen nach oben und nach unten Spielraum haben. Da sollte tatsächlich für Tageslichtaufnahmen bei schönem Wetter ein ISO 100er reichen. Bei dem Wetter, das wir heute haben, wäre wahrscheinlich ein 200er oder gar 400er nicht falsch. Sowas Empfindliches gab es damals eher nicht. Die Anleitung spricht zwischendurch sogar von 18° DIN, also ISO 50. Finde ich persönlich dann schon etwas gewagt. Aber wer weiß, wie empfindlich die Filme damals tatsächlich waren.
Apropos Film: Irgendwie muss man den auch in das Teil bekommen. Dafür muss man hinten aufs Gehäuse drücken und dann die Rückklappe öffnen, nachdem man den Vorspulknopf aus dem Gehäuse heraus gezogen hat, der nämlich mit der Aufnahmespule koppelt. Danach kann man das Innenleben aus dem Gehäuse nehmen. Das ist der eigentlich spannende Teil, es steckt sogar noch eine Holzspule auf dem unteren Halter. Der letzte Film wurde also wohl so in den 1960ern damit verschossen. (Das schließe ich auch daraus, dass die andere Kamera, die ich nicht mitgenommen habe, weil der Verschluss leider defekt war, ungefähr so aus der Mitte der '60er stammte.) Später waren Spulen jedenfalls aus Plastik.
Um den Film zu laden, muss man die leere Spule oben und den neuen Film unten einsetzen. Dann einmal hintenrum um das ganze Dingsbums herum ziehen und einfädeln und manuell bis zum ---> Start <--- vordrehen. Danach setzt man alles wieder in das Gehäuse ein, schließt es wieder und dreht bis zur 1 im kleinen Fenster unten links vor. Dann hat man wahnsinnige 9 Aufnahmen. Das ist jetzt wirklich nicht viel, aber so war das damals!
Wenn demnächst noch mal gutes Wetter sein sollte, nehme ich sie wohl mal mit zu einem meiner üblichen Jagdgründe. Blankenberg oder so, das bietet sich glaube ich an. Da kann ich viele Bilder von Landschaft und Gebäuden bei gebührendem Abstand machen. Zu viel mehr eignet sich das Ding ja auch nicht. Müsste dann noch schauen, wie ich den fertigen Film entwickle, denn ich habe nur 300ml Fixierer angerührt und nur Material für weitere 300, ich will keinen alten und neuen Fixer mischen. Für einen 120er Film brauche ich aber wahrscheinlich etwas mehr, der ist ja nun doch ein ganzes Stück breiter und ragt sonst oben aus der Suppe raus. Naja, muss ich mal abmessen, wie viel ich mindestens brauche. Vielleicht gehts im Jobo-Tank besser, der ist kleiner, aber ich bezweifle, dass ich mit 300mm auskomme. Ansonsten, im Notfall, geht der halt in die Labor-Entwicklung...
Bis es so weit ist, muss ich aber noch testen, ob die Kamera tatsächlich lichtdicht ist. Die hat nämlich einige Beulen. Ist wohl viel benutzt worden. Hinten im Deckel ist eine Kordel als Dichtung eingeklebt, von der ich nicht weiß, ob sie nach all der Zeit noch flexibel genug ist. Ansonsten sehe ich zwar bisher keine größeren Probleme, aber man weiß ja nie.
Fazit: Spannende Technik. Also, eigentlich genau das Gegenteil von Technik, das Ding ist so simpel und bare metal, dass ich mich frage, ob da überhaupt Fotos raus kommen!
1 Zumindest ungefähr. Damals war das alles noch nicht so durchgeeicht und überbürokratisiert wie heute. ISO/ASA wurde auch erst irgendwann Mitte der 1960er so richtig modern.
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